Im Licht des silbernen Kondors

LEBENDIGE KLINKER –
DAS CHILEHAUS ERZÄHLT

 

100 Jahre Chilehaus,
22 unterhaltsame Erzählungen,
22 Gründe das Kultgebäude Hamburgs zu besuchen.

Wer das Buch gelesen hat, sieht Hamburg mit neuen Augen und wird überall Klinkerskulpturen entdecken.

Im Licht des silbernen Kondors-Buchtitel

www.kjm-buchverlag.de

ISBN 978-3-96194-232-9

312 Seiten

Das gesprochene Wort

Lesetermine

 

Fr, 13.02.2025

Wassermann-Buchhandlung

Elbchaussee 577
22587 Hamburg

Zeit: ab 19:00

Fr, 14.02.2025

Kleiner Michel

Michaelisstraße 5
20459 Hamburg

Zeit: ab 19:00

Anmeldung erwünscht
unter anmeldung@stiftungros.de oder Tel.: 040/ 298 13 888.

Das Buch zum Jubiläum:

100 Jahre Chilehaus

Das Chilehaus in Hamburg wird in diesem Frühjahr 100 Jahre alt. Die Urenkelin des Bauherrn – Dr. Isabel Arends – hat dies zum Anlass genommen, dem ikonischen Gebäude ein Buch zu widmen, das sich gänzlich von der bestehenden Masse an Architekturführern zu dem UNESCO-Kulturerbe abhebt.

Architektur meets Literatur.

„Im Licht des silbernen Kondors“ offeriert in 22 Kurzgeschichten Einblicke zum Bau, der Architektur, aber auch in Familienstrukturen und die Zeit in Chile, die Arends‘ Urgroßvater das nötige Baukapital bescherte. Fachkundig, abwechslungsreich, humorvoll und virtuos verwebt die Autorin Fakten aus Familienaufzeichnungen mit architektonischem Wissen und einer Portion Fiktion – und bringt so Leben in das monumentale Klinkergebäude mit seinen zahlreichen Tierfiguren. 

Einblick

Der Kondor fliegt dem Hamburger Kultgebäude als Galionsfigur voran.

Wer sich dem architektonischen Wunderwerk nähert, stößt auf eine Vielzahl von Tierskulpturen, auf Schildkröte, Puma, Affen, Eidechse und andere mehr.

Die Skulpturen symbolisieren chilenische Mythologie und Traditionen der indigenen Bevölkerung.

Hiervon erzählt die Urenkelin des Bauherrn Henry Sloman: Isabel Arends.

In kurzen Episoden führt sie zurück in das 19. Jahrhundert Chiles, gibt Einblicke in die Architektur des monumentalen Gebäudes in Hamburg und in ihre Familiengeschichte.

Die Geschichte des Chilehauses: neu erzählt – privat, kenntnisreich und mit dem Blick zurück über den Atlantik.

 »Mythen und Märchen der Andenländer, Elemente der Selbstfindung und Identität des Bauherrn fließen zusammen, um eine vergessene Epoche zum Leben zu erwecken.«

ISABEL ARENDS

»Und ganz vorne am Haus. An die Spitze.
Da kommt ein Andenkondor hin! Mit ausgebreiteten
Schwingen«, sagte Renata Sloman glücklich.

Ausblick

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Der Kondor

im Licht des silbernen Kondors

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Zwei Pinguine

Dein Himmel ist das blaue Meer!

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Zwei Bären und ein Schaf:

Ecklösung mit Zähnen

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Der Riesenstorch:

schwarzer Zwergflamingo oder weißer
Riesenstorch?

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Die beiden Hähne:

Erwachen und Erleuchtung –
Die Klinkersinfonie

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Die sechs Kindchen:

der Tanz der Engelchen

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Blätter vom Cocastrauch:

Mama Coca – die Essenz
der Essenz

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Die Eidechsen:

der Traum der Eidechse
Ein Tor zur Stadt, ein Tor zur Welt

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Die Pumas:

Jäger der verlorenen Träume

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Vier Kormorane:

Königswasser und Kormorane

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Fischweib und Fischmann:

der Gesang der Sirenen

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Die Himmelswesen:

immer im Kreis herum!

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Ein Nest mit drei Küken.

Die Guanovögel: viele Federn!

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Zwei Schildkröten:

die Insel der Schildkröten

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Zwei Affen:

Neuweltaffen in der Alten Welt

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Vier Thunfische:

die Tränen der Delphine

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Ein Bau-Meister und ein Bild-Hauer:

vom Miteinander in einer
Bauhütte

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Die Pelikane:

eine lange Reihe mit vielen Lücken

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Zwei Eulen und zwei Kobolde:

zwei verliebte Eulen und die Träumer
der verlorenen Schätze

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Ein Feuertopf für kalte Zeiten:

wie gewonnen, so zerronnen

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Zur Pfahlgründung:

das kleine 9 x 9 einer halben Pfahlgründung

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Eine Hansekogge, eine Karavelle und ein verlorener Elbfischer samt Kahn:

das Chilehaus – einmal auf großer Fahrt

Kunstvolle Details

(Mehr erfahren per Mouse-Hover oder tippen)

Fortuna:

Glück

Stehen bleiben und aufgepasst! Das Glück kommt von oben. Fortuna, die Glücksgöttin trägt ein erhobenes, prall gefülltes Füllhorn in ihren Händen, bereit, es jeden Augenblick auf die unter ihr innenhaltenden Menschen auszuschütten. Bleibe stehen und lächele sie an! Das bringt dir Glück für deinen Tag.

Schildkröten:

„Eile weise mit Bedacht, ...

so hat es mancher weit gebraucht!“

Die Schildkröten sind ungewöhnliche Treppenwächter im Aufgang A. Sie fordern den Eintretenden zu  Bedachtsamkeit bei seinem Handeln auf.

Ein Engel mit Spruchband:

Ein Guss

Ein Engel hält das Spruchband mit der Inschrift „1922/23 KUÖHL“. Zu dieser Zeit wurde die Decke gegossen. Revolutionär war die neue Technik, alle Schmuckmotive beim Gießen der Betondecken mit einzugießen.

Die vier Kormorane:

Dankbarkeit

Das Medaillon ist eine dankbare Referenz an alle Guanovögel. Kormorane gehören zu den wichtigsten Guano-Vögeln, den Denn es war versteinerter Guano, Salpeter, der Henry Sloman zu seinem Reichtum verhalf.

Das Nest mit drei Küken:

3 Söhne

Die drei Söhne Henry Slomans nannte man auf der Baustelle mit Spitznamen „Slojunges“. Sie waren als Bauleiter jeden Tag auf der Baustelle.

Die beiden Putti:

Frohes Schaffen!

„Frohes Schaffen!“ und „Guten Feierabend!“ rufen uns die beiden Engelchen zu. Sie verkörpern den Morgen- und den Abendstern. Die Putti tragen je einen Stern in ihrer Hand. Sie erinnern alle, die unter ihnen passieren, an den Rhythmus eines Arbeitstages.

Bären:

„Habe große Träume und verfolge siegessicher deine Ziele!“

Im alten Chile galten Brillenbären als Machtsymbole der Könige und Wegweiser in der Traumwelt.

Zwei Affen:

Heitere Flexibilität

Südamerikanisches Symbol der verspielten Freiheit aller Kinder der Patschá Mama, der großen Mutter Natur. Affen sollen als Krafttiere verhelfen, festgefahrene Strukturen und Blockaden aller Art zu überwinden.

Leseprobe

Im Licht des silbernen Kondors

Hamburg. 17. Juni 1922. Villa Sloman, Badestraße 30. Ein festliches Dinner. Anwesend Henry mit seiner Ehefrau Renata Sloman und Professor Max Uhle.

„Und ganz vorne am Haus. An die Spitze. Da kommt ein Andenkondor hin! Mit ausgebreiteten Schwingen“, sagte Renata Sloman glücklich. Alle schauten sie sprachlos an.

„Vorne ein Kondor?“ Was seine Frau nur wieder für Ideen hatte! „Das wird dem Architekten nicht gefallen.“ Herr Höger hatte gerade den finalen Plan für die Gestaltung der Spitze vorgelegt.

„Vorne sollen zwei überlebensgroße Figuren stehen. Die sind rechts und links auf den Dächern der Arkaden der Schaufenster geplant. Allegorien des Handels und der Schifffahrt, glaube ich. Die Spitze noch mehr betonen? Nein, Renata. Das will Höger auf keinen Fall. Er hatte schon mit dieser Spitze des Chilehauses so seine Bedenken. Immerhin hat so eine spitze Gebäudeform noch niemand in Deutschland bisher gebaut. Das verstößt gegen die Regeln der klassischen Baukunst.“ Henry griff nach dem Teller und nahm sich eine Hähnchenkeule.

Renata schwärmte weiter. „Ein Kondor in seiner natürlichen Größe. Am besten mit ausgebreiteten Flügeln. Damit alle Hamburger den größten Vogel der Welt bestaunen können.“

Professor Max Uhle mischt sich ein: „Der Kondor. Der Vogel der Sonne, des Lichts. Das würde gut passen. Der Beherrscher aller Lebewesen würde dieser unschönen Ecke die Spitze nehmen.“ Max Uhle machte keinen Hehl daraus, dass ihm diese Spitze nicht gefiel. Zu modern.

Es war ein festliches Dinner in der Villa Sloman. Man feierte, dass der Freund Max Uhle endlich der lange schon ausgesprochenen Einladung der Slomans gefolgt war. Der alte Freund war inzwischen ein weltbekannter Wissenschaftler geworden. Max Uhle galt als Pionier der südamerikanischen Archäologie und hatte als gesuchte Koryphäe kaum noch Zeit für Privates.

Auch in Hamburg hatte er zu arbeiten. Er war gebeten worden, die Sammlungen südamerikanischer Objekte des Völkerkundemuseums an der Rothenbaumchaussee zu sichten. Es sei alles ein heilloses Durcheinander, hatte ihm Direktor Georg Thilenius entschuldigend mitgeteilt. Die großen Hamburger Expeditionen in die Südsee und nach Afrika haben ihm Unmengen an Exponaten beschert, die alle zu katalogisieren und wissenschaftlich auszuwerten seien. Er sei erleichtert, dass Professor Uhle die vernachlässigten mesoamerikanischen Sammlungen mit ihm gemeinsam ordnen wolle.

Im Hause Sloman hatte Max es bequem. Von seiner komfortablen Zweizimmer-Wohnung unter dem Dach hatte er einen weiten Blick über die Alster. In seinen Zimmern stapelten sich bereits Bücher und Stücke des Museums, die Direktor Thilenius gebracht hatte. Max fühlte sich wohl wie seit langem nicht mehr.

Es war ein steiniger Weg für den Wissenschaftler der Altamerikanistik gewesen. Max hatte im Auftrag für die kalifornische Universität Berkeley einige Forschungsreisen nach Peru unternommen. Das war eine Stellung nach seinem Geschmack gewesen! Mit großzügigen finanziellen Mitteln ausgestattet, konnte er die Kostbarkeiten Trujillos in Peru ausgraben, dokumentieren und der Welt zugänglich machen. Als er sich weigerte, Stücke heimlich außer Landes für die Sammlungen der amerikanischen Universität zu schmuggeln, stellte ihn der Dekan in Berkeley vor die Wahl: entweder er würde seine Funde heimlich außer Landes bringen – oder sein Vertrag würde nicht mehr verlängert werden. Max war verärgert und enttäuscht, dass der Dekan seine wertvollen Leistungen für die Wissenschaft nicht würdigte, sondern wohl nur an den kostbaren antiken Objekten Perus interessiert war. Und nein, niemals würde er sich zu einem Diebstahl anstiften lassen! Er verließ Kalifornien, um im Museum von Lima die archäologische Abteilung aufzubauen. Aber die Bezahlung war kaum mehr als ein Hungerlohn. Er wechselte 1912 nach Chile ans „Museo de Etnología y Antropología“ und baute wieder eine archäologische Musterabteilung auf. Dort in Santiago hatten er und seine Frau Charlotte sich kennengelernt und im Deutschen Club auch das Ehepaar Sloman.

Renata ließ es sich nicht nehmen, Max nach den Regeln der Kunst zu verwöhnen, wo sie nur konnte. Seine Frau Charlotte war erst vor anderthalb Jahren verstorben und eine gute Freundin von ihr gewesen. Heute hatte sie zur Feier des Wiedersehens Hühnchen à la Pica auf den Tisch gebracht. Es wurde scharf gewürzt und mit Chilihonig glasiert. Dazu reichte man Maisbrei mit Paprikafäden. Ein Gericht aus Iquique, zu dem man süßes Zitronenchutney aß. Die Oase von Pica war für seine Zitronen und Orangen berühmt. Eine kleine Quelle zauberte dieses Paradies mit kleinen, aber üppigen Zitronen-, Orangen- und Birnenbäumen mitten in die unwirtliche Wüste.

Ihre Schwägerin María Lecaros stammte aus Pica. Es gab einen kleinen Skandal, als Henrys Bruder Richard verkündete, sie heiraten zu wollen. ‚Eine Indiofrau heiratet man doch nicht!’, gaben Freunde im Deutschen Club zu bedenken. Aber Richard war nicht umzustimmen. ‚Ich habe der Enge des deutschen Kaiserreiches den Rücken gekehrt, um in der Republik Chile Freiheit, Brüderlichkeit und Gleichheit zu finden. Dazu gehört auch, dass man aus Liebe heiraten darf. Das hat Familientradition. Und unsere Eltern aus Liebe geheiratet. Gegen den Willen der Eltern, die jahrelang versucht hatten, das Paar zu entzweien. „Ich werde tun, was mein Herz mir sagt. Basta!“, sagte er und heiratete die dunkelhäutige Schönheit. Die Hochzeit in der Oase von Píca wurde eine rauschende Fiesta, die mehr als eine Woche dauerte. Renata konnte Mariá gut leiden und besuchte sie, so oft es ging. María schrieb ihr ein Büchlein nur mit Zitronenrezepten auf, aus dem auch in Hamburg weiter gekocht wurde. Renata reichte ihrem Mann die Kristallglasschale mit dem Zitronenchutney.

„Vielen Dank, meine Liebe“ sagte Henry und und fuhr in seinen Ausführungen zur Spitze des Chile-Hauses fort.

„Mich erinnert die massige Grundrissform des Baukörpers eher an ein Schiff!“

„Du hast immer nur Schiffe im Kopf“, spöttelte Renata und klingelte mit einer kleinen Tischglocke. Mamsell Anna kam herein und Renata gab ihr die leere Schale, um Chutney nachzufüllen.

Henry hatte Max Uhle vor dem Dinner ausführlich vom Bau des Chilehauses berichtet. Erst in dieser Woche war entschieden worden, den Abschluss des Hauses in einer Spitze auslaufen zu lassen. Architekt Fritz Höger hatte noch einige andere Entwürfe vorgestellt. Ein Plan sah einen runden Abschluss vor, der sich in halbrunden Formen bis in die Dachgeschosse durchgezogen hätte. Das war der Favorit von Renata gewesen. Die oberste halbrunde Dachwohnung bestand fast nur aus Fenstern. ‚Eine Orangerie’, hatte Renata begeistert ausgerufen und erklärte, hier müsse die zweite Stadtwohnung der Familie ihren Platz bekommen. Sie begann gleich mit den Planungen eines Gartenzimmers mit Zitronen- und Orangenbäumchen. Ein weiterer Lösungsvorschlag von Höger war ein kurzer gerader Fassadenkopf. Das wäre die einfachste Lösung gewesen. Schließlich bevorzugte Henry das Dynamische und Moderne und entschied sich für eine nach vorne spitz zulaufende Bauform. Eine revolutionäre Bauform im Städtebau, die ideal für diesen Bauplatz war. „Elegant, schwungvoll und präzise – aus der Wahrheit und Notwendigkeit des Ortes geboren“, hatte Fritz Höger die Spitze beschrieben. Der Nachteil: für die zulaufende Spitze musste man erneuteine Genehmigung vom Hamburger Bauamt einholen. Denn die neue Form würde die festgelegten Bebauungsregeln sprengen.

Das Hamburger Bauamt war für seine Langsamkeit berüchtigt. „Hurry up – and carry on!”, sagte Henry immer zu seinen Söhnen. Alles musste, wenn es nach ihm ging, schnell gehen. Das galt insbesondere in Zeiten der galoppierenden Inflation. Wie und mit welchen Baukosten man am nächsten Tag, in der nächsten Woche, Monat, in einem Jahr zu rechnen habe – nicht auszudenken! Schnell-schnell, das war die Devise, um den Krallen der Hyperinflation zu entfliehen.

Max Uhle war kein merkantil denkender Mensch. Seine Welt war die Kulturgeschichte der Anden. Er suchte und er fand sie, die vergessenen Völker vor den Inkas, den Azteken und den Atacameños. Bei der ersten flüchtigen Begegnung erschien ihm der Architekt als zu laut und sehr von sich eingenommen. Max sah auf die Alster, die durch die Bäume schimmerte uns sagte: „Alles, was Menschen sich ausdenken, hat es schon einmal gegeben. Nichts ist wirklich neu. Das kulturelle Gedächtnis der Menschheit vergisst nichts. Ich bin von der Existenz eines kulturellen Urgedächtnisses überzeugt – oder wie es der Schweizer Arzt Carl Gustav Jung nennt – einem ‚kollektiven Unbewussten‘.“

Max Uhle war dafür, dem Chilehaus einen geraden Abschluss zu geben. „Ein Haus mit nur einer Spitze, das macht keinen Sinn. Ähnliches kennen wir vielleicht von den Seefahrervölkern, den Polynesiern und den Wikingern. Die schwungvollen, nach oben gebogenen Dachkonstruktionen ihrer Häuser hat eindeutig der Schiffsbau inspiriert. Aber das sind keine Kulturvölker, die differenzierte Architekturen ausbilden.“

Im Speisezimmer der Villa Sloman wurde es langsam dunkel. Mamsell Anna kam herein und zündete die Kerzen an. Sie hatte vorher schon den elektrischen Kronleuchter angedreht, der mit seinen schwach matt schimmernden Glühbirnenbündeln kaum mehr als eine moderne, kunstvolle Dekoration war. Licht jedenfalls gab er nicht. Aber der Hausherr liebte alles, was als modern galt. „Sinnloser Schnick-Schnack“, dachte Anna jedes Mal, wenn sie die vielen Glühbirnen mühsam putzen musste. Sie hielt mehr von den Gaslampen. Die waren wenigstens hell. Auch für ihre Küche hatte der Hausherr einige moderne Geräte angeschafft, die sie fast nie verwendete, aus Angst, etwas falsch zu machen. Mamsell Anna schenkte Weißwein nach und verließ den Raum.

Max fuhr mit seinen Gedanken zum Kondor fort:

„Der Kondor ist ein Vogel der Wahrheit, des Anstands und der Gerechtigkeit! Der Kondor ist den Ketschua so heilig, dass die Indios Charlotte und mir versicherten, es gäbe nicht die richtigen Worte in der menschlichen Sprache, um die Heiligkeit dieses Vogels zu beschreiben. Die liebe Charlotte pflegte in diesen Momenten der Sprachlosigkeit immer die indische Mahabbarata zu zitieren: ‚Da die Wahrheit außerhalb des Bereiches des Verstandes liegt, finden sich keine Worte für sie’.“

Max und Charlotte Uhle waren ein außergewöhnliches Paar gewesen. Charlotte hatte ihren Mann auf all seinen Reisen begleitet. Sie sprach mehrere Sprachen, darunter auch die Sprache der Ketschua-Indianer. Gemeinsam begannen sie, die Mythen, Märchen und Gesänge der Indios zu sammeln und ein Wörterbuch anzulegen.

Charlotte führte außerdem die Dokumentationen seiner Ausgrabungen, fertigte genaue Zeichnungen mit Maßstabsangaben, Skizzen zur Lage der Fundstücke im Boden und versah diese mit Kommentaren zu Wetter und Temperatur an den Grabungstagen. Max Uhle kämpfte für diese systematische Archäologie, die auch Jahrzehnte später ermöglichen sollte, über Fachfragen zu forschen.

Seine Frau fehlte Max überall in seinem Leben, so sehr, dass er nicht darüber nicht sprechen konnte. Ein drückendes Schweigen stand im Raum. Auch Renata vermisste ihre liebe Freundin.

„Sie war so eine wundervolle Frau!“, sagte Renata leise und legte ihre Hand auf den Unterarm von Max. Er kämpfte mit den Tränen und starrte auf den Teller mit den abgenagten Hühnerknochen.

Max kämpfte mir seiner Stimme: „Besonders liebte sie die Kondore. Wenn ich daran denke, wie sie tagelang geduldig mit den Ketschuafrauen zusammensaß und ihre Geschichten aufschrieb und versuchte, die Melodien der Kondorlieder zu lernen. Meist Lieder, die die Klugheit und Weisheit der Vögel besangen.“

Er nahm einen Schluck Wein und fuhr fort: „Für die Indios ist der Kondor allwissend. Er ist der unbestrittene Fürst des Himmels, der Bote der Großen Mutter. Patschá-Mama. Er erinnert die Menschen an die göttliche Ordnung und die Weisheit der Schöpfung. Aber er ist viel mehr. Er ist auch ein himmlischer Richter, der immer in den Erzählungen auftaucht, wenn es darum geht, einen Lügner zu entlarven. So heißt es häufiger in Märchen: Der Brujo, der Medizinmann der Ketschua, droht:‚Warte, du elender Lügner. Ich werde den Kondor rufen. Der wird den Betrug schon ans Tageslicht bringen. Der kann uns sagen, wer der Dieb ist!‘“

Es heißt, der Vogel werfe Licht auf alles, was im Dunkeln liegt.“

Henry reichte seinem Freund die Platte mit den rotbraun glasierten Hähnchenkeulen und antwortete: „Der Kondor soll auf jeden Fall ein sehr kluger Vogel sein. Wenn ich daran denke, dass er die Lämmer aus den Herden raubt, um sie dann auf schwindelerregenden Felskanten abzustellen. Die armen Tiere blöken verzweifelt. Keine Chance, da wegzukommen. Sie sitzen in der Falle fest. Für den Kondor ist das seine lebende Vorratskammer.“

Renata grauste es bei diesen Details, sie hätte wenigstens bei Tisch gut und gern darauf verzichten können.

„Sind die Vögel erneut hungrig, jagen sie die Tiere mit großen Flügelschlägen in den Abgrund und fressen dann bequem den Kadaver“, beendete Henry dieses Thema und schenkte allen noch Wein nach. Ein guter Riesling, freute er sich. Er hatte diesen Wein erst kürzlich von seinem Bruder, der als Weinhändler tätig war, geliefert bekommen. Ein Wein mit mineralischer Note, aus den weltberühmten Schiefer-Steillagen, dem Erdener-Treppchen von der Mosel. Kein Wunder, dass schon die Römer das besondere Klima der Moselhänge nutzten.

Max erzählte weiter: „Ja, die außergewöhnliche Klugheit des Kondors findet sich in allen Andenmärchen. Vergleicht man ihn mit den deutschen Märchen, so hätte er hier die Stelle des klugen Fuchses inne.“

Renata widersprach: „Nicht ganz. Es fehlt unserem Fuchs die Grandezza, die der Kondor in den Mythen hat. Er ist dann doch eher vergleichbar mit dem Adler, dem Göttervogel des Zeus. Es gab da ein Märchen mit einem Fuchs. Charlotte hatte es mir und den Kindern öfter vorgesungen.“

„Ja, das wird das Märchen vom Kondor und vom Fuchs sein!“ sagte Max und lächelte wieder.

„Oh, erzähle es bitte! Ich habe es vergessen“, Renata sah ihn aufmunternd an.

„Hoq kontorsi aquestata rurasqa atoqwan“, begann Max salbungsvoll in Ketschua.

„Bitte, was heißt das?“ fragte Renata

Ein Kondor soll einst mit einem Fuchs gewettet haben“, erwiderte Max.

„Bitte erzähle es ganz. Und dann doch besser auf Deutsch!“ Renata schaute ihn erwartungsvoll mit glänzenden Augen an. Max spürte, dass seine Gefühle wieder in sicheres Fahrwasser kamen und begann mit fester Stimme:

Das Märchen von Chanka-Inka, Chanka-Inka – das ist einer der Ehrentitel des Kondors.

„Ein Kondor soll einst mit einem Fuchs gewettet haben, dass sie durch Sitzen auf dem Schnee feststellen würden, ob sie ganze Kerle sind.

Mit weit ausgebreiteten Schwingen lässt sich der Kondor auf dem Schnee nieder.

Auch der Fuchs setzt sich. Aber was wird er schön ausbreiten? Er nimmt einfach nur Platz.

Da sagt der Kondor: `Nun wollen wir einmal sehen, wer von uns wohl in der Kälte erstarrt.

Sollte ich als erster plötzlich umfallen, so magst du mich fressen.

Wenn du aber zuerst stirbst, dann werde ich dich verschlingen.`

Und so setzten sich die beiden eine Zeitlang auf den Schnee.

Schließlich spricht der Kondor den Fuchs an:

`Na, Gevatter Fuchs, friert es dich?`

Der Gevatter aber erwidert:

`Was könnte wohl, einem tapferen Kerl wie mich, denn frieren?`

Nach einer Weile fragt der Chanka-Inka wieder:

`Na, Gevatter Fuchs, ist dir denn jetzt kalt?`

`Nein, es ist nicht kalt`, erklärt der Gevatter.

So verharren beide weiterhin auf dem Schnee.

Nach einer Weile erkundigt sich Chanka-Inka erneut:

`Na, Gevatter, friert es dich denn jetzt?`

Da aber war der Gevatter bereits tot und schon völlig steif gefroren.

Und was unternimmt der Kondor daraufhin?

Er beginnt natürlich, den Fuchs zu fressen.

Die Wette hat er auch gewonnen. Das ist das Ende der Geschichte.“

Max hielt inne. Vor dem offenen Gartenfenster rankten üppig rosafarbene Rosen. Max roch den zart-süßlichen Rosenduft, der vom offenen Gartenfenster in das Speisezimmer wehte.

„Das ist schön. Dass du das alles auswendig kannst! Und dann in dieser besonderen Sprache, mit ihrer charakteristischen Feinheit der Akzente. Reduziert im Ausdruck – aber alles ist in ihr zu finden. Wie in der Welt der Anden selbst. Wenn man die Fabel in den eigentümlichen Melodien der Ketschuas singt, dann kommen alle Elemente zusammen.“ Renata war begeistert.

Henry mischte sich jetzt ein.

„Der Kondor ist oben in Peru inzwischen selten geworden. Die Schafzüchter, die Rinderzüchter, eigentlich alle Siedler aus Europa schießen, fangen oder vergiften die Kondore.“

Max nickte und ergänzte: „Ja, leider. Das ist so typisch für die respektlosen Einwanderer. Kein Indio würde je auf die Idee kommen, auf einen Kondor zu schießen! Ganz selten fangen sie ein erwachsenes Tier für ihre rituellen Zwecke. Es muss dann aber ein älteres Tier sein. Nur dann sind die weißen Federn innen silberfarben. Allein der Brujo, der Medizinmann, darf das Tier töten. Das tut er unter vielen Gebeten mit einem schnellen Schnitt durch die Kehle. Alle Teile des Körpers werden verwendet. Aus den Knöchelchen werden Flöten und Amulette gefertigt. Die Federn werden zu heiligem Schmuck verarbeitet. Aus dem Fett der Leber wird ein Heilbalsam gefertigt. Diese besondere Medizin gilt als magisch und hochwirksam.“

„Kondore lebend fangen. Wie soll das gehen?“ fragte Renata und sah ihren Mann an.

Henry antworte: „Kondore fangen ist eigentlich einfach. Man muss die richtige Jahreszeit abwarten, in der die Futtersuche für Kondore schwierig ist. Also nicht die Lämmerzeit, da jagen sie die Lämmer und sind immer satt. Das Fleisch mögen sie besonders gern. Der Spätsommer, so Ende April, das passt gut. Dann baut man in einem Hochtal, das die Kondore gerne überfliegen einen Kral, einen kreisförmigen Pferch. Der Zaun muss gut einen Meter Höhe haben und der Kral etwa 10 Meter Durchmesser. In die Mitte legt man einen Tierkadaver, am besten mit aufgeschnittenem Bauch. Dann muss man sich nur noch auf die Lauer legen und geduldig warten. Hat ein Kondor das Aas entdeckt, landet er und beginnt zu fressen. Sehr schnell werden viele weitere gefräßige Gefährten angelockt.“ Henry schaute in die Tischrunde. Mamsell Anna betrat den Raum und servierte das Dessert. Saftige süße Scheiben von Ananas, mit Mandelcreme, in der schwarze Vanillepunkte verheißungsvoll lockten.

Henry fuhr fort: „Die Tiere haben die Angewohnheit, sich so voll zu fressen, dass sie nicht mehr leicht wegfliegen können. Dazu kommt, dass sie so ihre Eigenheiten beim Losfliegen haben. Sie sind beim Starten etwas hilflos, ähnlich wie Schwäne. Sie laufen unbeholfen und mit mächtigen Flügelschlägen eine lange Strecke – immer gegen den Wind. Auch fliegen sie einer nach dem anderen los. Ordentlich in der Rangfolge der Gruppe. Für all das brauchen sie viel Platz und Zeit. Sind sie vollgefressen, dann verharren sie üblicherweise einige Zeit beim Kadaver und verdauen, bevor sie wieder losfliegen. Jetzt kommen die Häscher aus dem Versteck. Die Kondore können nicht wegfliegen, da ihnen die Startbahn fehlt. Die Fänger haben so ein leichtes Spiel. Sie werfen ihre Lassos um die nackten Hälse der Tiere und erwürgen sie oder schlagen sie mit einem Holzknüppeln tot.“ Henry spürte den leidenden Blick seiner Frau.

„Oder man verkauft sie teuer an die Zoologischen Gärten.“, ergänzte Max. „Trotz der aufwendigen Transporte, bei denen über die Hälfte eingeht, ist der Tierhandel mit Kondoren ein überaus lukratives Geschäft. Diesen Riesenraubvogel möchte jeder Tiergarten haben. Habt ihr hier im Tierpark Hagenbeck auch Kondore?“, fragte Max.

„Oh, ja. Einen ganz traurigen“, sagte Renata. „Die großen Vögel haben wenig Platz. Sie sitzen in einem viel zu kleinen Käfig auf einer hölzernen Stange. Sie können noch nicht einmal ihre Flügel ausstrecken. Im Moment teilen sich ein Kondor und ein amerikanischer Weißkopfadler eine Volière. Gerade ist eine Lotterie gestartet worden. Mit dem Erlös sollen neue große Volièren gebaut werden. Und fFür jeden Vogel eine eigene.“

Max machte eine überraschte Bewegung. Renata und Henry schauten ihn an:

„Ein Kondor und ein Adler in einer Volière?“, fragte der Freund.

Renata nickte: „Ja, und die scheinen sogar gut miteinander auszukommen.“

Max schüttelt ungläubig den Kopf: „Das ist wirklich bemerkenswert. Es gibt eine alte Legende der indigenen Völker, eigentlich müsste man sie eher eine Prophezeiung nennen. Sie bezieht sich auf den Kondor und den Adler. Der Weg des Adlers steht für Geist, Wissenschaft und Industrie, für die männliche Energie. Der Weg des Kondors beschreibt die weiblichen Energien, das Herz und die Intuition. Es soll eine Zeit kommen, in der sich beide Wege vereinen und die Menschen freundlich miteinander sind. Diese verheißungsvolle Ära heiß ‚Pachakuti’“

Renata stellte sich dieses ‚Pachakuti’ in der Volière bei Hagenbeck vor und lächelte.

Max beschloss seine Schilderung der bekannten Weissagung: „Es heißt, wenn die Zeit gekommen ist, in der Kondor und Adler in Frieden leben, dann wird die Morgendämmerung der Menschheit anbrechen. Eine neue Zeit, in der die Völker lernen, in Frieden miteinander zu leben!“

Kapitel

Seiten

Die Klinkersinfonie
Hamburg, Büro Sloman im Klosterhof, 27. Februar 1923. Anwesend sind Fritz Höger sowie Ricardo und Herbert Sloman.

„Und das soll nun wirklich schön sein?“ Ricardo Sloman war verunsichert. Man traf sich im Baubüro von Fritz Höger. Herr Höger hatte die Mauerprobe eines Wandsegments im Atelier aufbauen lassen.
„Auch ein nicht schönes Element wird schön, wenn es nur oft genug wiederholt wird.“ erklärte Herr Höger. „Die Wiederholung der Wiederholung beruhigt das Auge. Und dann kann das Auge die kleinen Details, die Feinheit der Binnenstrukturen und Muster finden. Zum Sehen geboren, / zum Schauen bestellt – war es nicht so, Herr Geheimrat Goethe?“
„Aber die Fronten werden sehr lang sein. Über 2800 Fenster gleichen Maßstabs. Und dann reichen die Fensterreihen von vorne bis hinten in einer Reihe und auf einer Höhe durch. Das kann am Ende doch recht eintönig aussehen!“

Der Bau

„Den Namen Chilehaus habe ich auf dem Gewissen“

 Ricardo Sloman erinnert sich:

Weil mein Vater in Chile durch seine
Arbeit zu Erfolgen und zu Vermögen gekommen
war, schlug ich diesen Namen vor. Zuerst
war daran gedacht, es »Sloman-Haus« zu nennen,
aber die Reederei Sloman hatte schon am
Baumwall einem Haus diesen Namen gegeben.

InterviewS

100 Jahre Chilehaus: Vision und Utopie

Das Chilehaus war zu seiner Erbauung berühmter als der Hamburger Michel. In diesem Jahr wird es 100 Jahre alt. Die Urenkelin des Bauherren Isabel Arends hat darüber 22 Erzählungen veröffentlicht.

von Peter Helling, NDR Kultur | Kulturjournal

Weltkulturerbe, vor 100 Jahren das meistdiskutierte Haus der Welt und mit dieser Spitze einfach spitze: „Eine Burg der Arbeit, ein großes Schiff, ein Haupttor zum Hafen – so wurde es gefeiert“, sagt Isabel Arends. Staunen – das lernt man hier.

Den Blick reißt es sofort in die Höhe, wie bei einer Kathedrale. Isabel Arends steht am Bug des Klinkerbaus. Ihr Urgroßvater Henry Sloman war der Bauherr der architektonischen Ikone, die in diesem Jahr 100 Jahre alt wird.

„Wir stehen an der Spitze und schauen nach oben. Diese quergestellten Klinker werden wie eine Stäbchenmatte aufgefächert und einmal ums ganze Haus rumgezogen. Das ist der besondere Rhythmus“, erklärt Arends.

Hier anhören:

…oder auf der Seite des NDR:

Der Kondor – «kraftvoller Kettensprenger und Freiheitsbringer»

Interview in der deutsch-chilenischen Wochenzeitung Cóndor

Isabel Arends hat sich nicht nur als Urenkelin von Henry Sloman, sondern vor allem auch als Historikerin, Literatin und mit dem Blick einer Trauma-Therapeutin mit dem Chilehaus auseinandergesetzt.

Anlässlich der Geburtstagsausgabe des Cóndor befragten wir sie zu ihrer persönlichen Sicht auf das Chilehaus, zur Symbolik des Kondors und zu den besonderen Verbindungen zwischen Chile und Deutschland.

Isabel Arends im Gespräch mit dem Journalisten und Autor Wernfried Hübschmann, Mai 2024

Der bekannte Lyriker und Essayist stellt im Gespräch mit der Autorin ihr gerade erschienes Buch „Im Licht des silbernen Kondors“ vor. Man erfährt Hintergründe und Besonderheiten der historischen Quellen und vieles mehr (17 min).

Rezensionen

Neues Buch anlässlich von 100 Jahren Chilehaus

Der Vogel des Lichts

Vor 100 Jahren wurde das Chilehaus in Hamburg fertiggestellt. Die Autorin Isebal Arends befasst sich mit dem imposanten Bau und mit überraschenden Fakten über seine Entstehung im Jahr 1922.

Wernfried Hübschmann

DAS CHILEHAUS ERZÄHLT

Isabel Arends‘ gelungener Prosaband zu Baugeschichte und Gegenwart des Chile-Hauses in Hamburg

Kann man ein Haus lesen? Ja, wenn das Haus sprechen kann und reden will. Und wenn wir bereit sind, zuzuhören und zu lauschen. Der Erzählband „Im Licht des silbernen Kondors“ ist ein Buch über ein Haus voller Geschichten und die abenteuerliche Geschichte seiner Entstehung. Ein Buch über die Protagonisten, den Bauherrn, den Architekten, die Unterstützer und Widersacher. Und über das ferne Chile im vorletzten Jahrhundert, über Menschen und Mythen, dunkle Mächte und exotische Tiere.

Sommer, Sonne, Bücherstapel!

ZEIT ONLINE hat zwölf Buchhändler/innen aus Hamburg zu ihren liebsten Neuerscheinungen befragt und Pascal Mathéus aus der Buchhandlung Wassermann in Blankenese war mir wohlgesonnen. Vielen Dank! Abonnenten können den ganzen Beitrag hier lesen:

Der Bildhauer Richard Kuöhl am Chilehaus (1880-1961)

Vorbilder und Einflüsse auf sein weiteres Werk

(Mehr erfahren per Mouse-Hover oder tippen)

Nixen

Komm rein! Bring Glück hinein!

In Chile gelten Nixen und Meermänner als Glückssymbole. Als Zwitterwesen bringen sie dort Glück, wo man Neues wagt und über Schwellen tritt. Deshalb schmücken sie Hauseingänge.

Richard Kuöhl wird das Motiv der Meerwesen später auch bei Treppengeländern verwenden.

Der Storch

Der Jabiru, der chilenische Riesenstorch galt den Andenvölkern als heiliger Vogel, den sie in ihren Tänzen verehrten.

Auch den Inkas war der Storch heilig, wie zahlreiche antike Skulpturen zeigen.

Sie dienten Kuöhl als Vorbild.

 

Der Baumeister

Ein Baumeister mit dem kleinen Modell des Chilehauses. Vorbild für diese Allegorie sind Darstellungen gotischer Baumeister.

„In Demut Großes schaffen“, war die Devise der Leiter der Bauhütten des Mittelalters.

 

Der Puma

Der Puma ist der König der Anden.

Zwei Pumas sollten als traditionelle „Torlöwen“, die südliche Durchfahrt schmücken, die als reiches, mit vielen Skulpturen geschmücktes Stadttor zum Kontorviertel geplant war.

Die Pläne fielen der Inflation zum Opfer. Kuöhl greift das Motiv der Pumas, variiert als Panther 1924 für den Handelshof in Lübeck auf.

 

Die Autorin

Dr. Isabel Arends

 

Dr. phil. Isabel Arends ist Kunsthistorikerin und Urenkelin Henry Slomans.

Kunsthistorisch hat sie vor allem zur Architektur der Backsteingotik und dem Synagogenbau deutscher Architekten veröffentlicht. Zudem forschte sie zu verschiedenen Reformbewegungen in der Architektur des neunzehnten Jahrhunderts, insbesondere dem Reformsynagogenbau jüdischer Architekten.

Es folgten Veröffentlichungen zu Kulturgeschichte und Ethnomedizin. Sie berät außerdem zukunftsorientierte Projekte aus den Bereichen Nachhaltigkeit, ganzheitliche Medizin und ökologisches Bauen.

Arends, Isabel: Wahrheit in der Kunst! Die Reformgotik der Hannoverschen Bauschule. Soltau 2008

Dies.: Die Hase-Schule. Zur Reformgotik der Hannoverschen Architektenschule. In: Heinrich Moldenschardt (1839–1891). Stilvolle Architektur in Schleswig-Holstein. Herausgegeben von Ulrich Höhns und Klaus Alberts. Heide 2009

Dies.: »Gothische Träume.« Die Raumkunst Edwin Opplers auf Schloß Marienburg. Hannoversche Studien, Bd. 11. Verlag Hahnsche Buchhandlung 2005

Dies.: Märchen für die Königin: Zauberhaftes aus Kunst und Geschichte im Schloss Marienburg. Göttingen 2013

Dies.: Schloss Hagerhof. Ein Streifzug durch Geschichte und Architektur. Bad Honnef 2010

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Leserstimmen

Da ich ein halber Chilene und ein halber Hamburger bin, ist für mich das Chilehaus das wahre Wahrzeichen dieser Stadt. Obwohl Hamburg architektonisch ohne Zweifel viele Schmuckstücke birgt, das bisschen Patriotismus sei mir erlaubt 🙂

Allen meinen Verwandten und Freunden, die mich aus Chile in Hamburg besuchen, zeige ich obligatorisch dieses Kunstwerk. Dank dem Buch „Im Licht des silbernen Kondors“ von ISABEL ARENDS bin ich erst jetzt auf die großartige Details der kleinen Skulpturen und damit verbundenen Geschichten und Legenden aufmerksam gemacht worden.

Das Buch liest sich wie ein spannender Fach-Roman, der mir nicht nur einen neuen Blick auf dieses Wunderwerk offenbart hat, sondern mich auch in die Zeit vor mehr als 100 Jahre zurückversetzt, wo Henry Sloman seine Zeit in Chile verbracht hat. Die Autorin erzählt auch viele Begebenheiten aus Hamburg und Deutschland aus diesen vergangenen Zeiten.

Ich muss zugeben, dass ich nicht widerstehen konnte, und gleich nach dem Durchlesen mir diesmal das Bauwerk erneut nur im Hinblick auf die Figuren anschauen und filmen mußte.

Leserstimme